&t Melanie JeanRichard - Mediterrane Blumen, Bern - 031 311 46 79: Floraler Post-Biedermeier 2


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Montag, Februar 12, 2007

Floraler Post-Biedermeier 2

Hier nun also der erste Versuch, anhand der definierten Kriterien ein Bouquet auf seine florale Post-Biedermeier-Tauglichkeit zu untersuchen:



Zuerst das Originalbouquet: Es besteht, gemäss den Ideen des Biedermeier, nur aus wenigen Komponenten, nämlich roten verzweigten Nelken, Euphorbien und schwarz gefärbter Steineiche. Die Nelken sind sehr frisch und daher noch ziemlich verschlossen, so dass ein anderes Bild entsteht als eine Woche später. Es soll jedoch an dieser Stelle das Bouquet besprochen werden, wie es sich jetzt präsentiert. (1)

Es folgen einige ästhetische Gedanken zu Farbe und Form:



Zuerst die Farben: Ungewohnt ist das Auftreten der Farbe Schwarz. (2) Diese führt, vor allem mit dem leuchtenden Rot, zu einem Hell-Dunkel-Kontrast. (3) Wenn Sie das oben gezeigte Bild mit zugekniffenen Augen betrachten, erkennen Sie den farblichen, aber auch plastischen, Kontrasteffekt besonders gut.




Auch in dieser Ansicht ist der Farbkontrast erkennbar, aber hier soll es um die Form gehen. Im Vergleich zum traditionellen Biedermeier-Strauss erscheint dieses Bouquet wild und ungeordnet. Reduziert man das Foto auf wenige Farben, erkennt man sehr wohl Formen, hier diejenige eines Herzens bei den Nelken und die eines Ahornblatts bei der Steineiche. (4) Interessanterweise treten plötzlich zwei neue Spieler aufs Parkett, nämlich der Schatten und der Tisch selber, jeweils als monotone Fläche. (5)




Nach der Ästhetik nun weiter zur Überprüfung der Faktoren Sicherheit und Repräsentation. Hier ist nicht entscheidend, wie das Bouquet tatsächlich aussieht, sondern wie es der Rezipient gerne sehen möchte und/oder hofft, dass andere es sehen. Darum in der oben stehenden Abbildung ein Versuch einer malerischen Interpretation, wie sie im Biedermeier hätte vorkommen können, nämlich anhand der farblichen Überzeichnung und dem Hang ins Idyllische/Mystische.

Betreffend Sicherheit können nur Mutmassungen getroffen werden. (6) Würde das Bouquet tatsächlich so gesehen wie in der Abbildung, könnte es möglicherweise eher eine Bedrohung darstellen als Sicherheit oder Geborgenheit vermitteln. Die Farben lassen es aggressiv erscheinen, die Lichtfetzen und die Weichheit des Gesamten lassen eine gewisse Dramatik aufkommen.

Bezüglich der Repräsentation kann festgestellt werden, dass wenn jemand mit dem Bouquet punkten bzw. sich positionieren möchte, (7) er dies wird tun können, da es in seiner Wesensart unverwechselbar ist. Die Werte von Melanie JeanRichard übertragen sich also (vermeintlich) auf den Käufer zu dessen Besucher usw.

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(1) Dazu eine Bemerkung zum Prozess eines Bouquets. Sofern das Schnittgrün und die Blumen frisch in ein Bouquet gebunden werden, erfährt dieses einen Lebenszyklus mit all seinen Phasen. Nach und nach gelangen die Elemente zu ihrem optischen Höhepunkt und verwelken mit der Zeit. Wir setzen nur Schnittgrün und Blumen aus Italien ein, welche leben, also z.B. keine oft gesehenen Rosen, die von Anfang bis Ende optisch starr sind.
Es wäre konsequenterweise undenkbar zu versuchen, Blumen vorerst einzeln zu verkaufen und später, bei voller Blüte, in ein Bouquet zu binden oder gar vorhandene, nicht verkaufte Bouquets wieder zu öffnen, um Blumen, die man noch gebrauchen kann, weiter zu verwenden.
Dieses Herangehen setzt voraus, dass der Rezipient das Bouquet in seinem gesamten Prozess betrachtet und schätzt und nicht nur dann, wenn sämtliches Material in voller Blüte ist, was bei "Fortgeschrittenen" der Fall ist. Somit kann dem geübten Kunden zugemutet werden, ein Bouquet zu kaufen, das erst ein paar Tage später "prächtig" aussieht. Kommt dazu, dass ich die Bouquets oft so konzipiere, dass es den optimalen Zeitpunkt gar nicht gibt, da beim Aufblühen der letzten Blumen die ersten schon verblüht sind. Hier sprechen wir, mit einem Schuss Ironie, von "suboptimalen Sträussen", die an anderer Stelle bereits besprochen wurden. Bewegt sich der Rezipient in den genannten Mustern, verliert das oftmals dominierende Kriterium der zeitlichen Länge des Prozesses an Gewicht.


(2) Daran werden wir uns in der Folge gewöhnen müssen... Das Schwarze steht zu den anderen Elementen nicht nur in einem Farbkontrast, sondern auch in einem natürlich-künstlich-Kontrast. Darin besitzen wir noch wenig Erfahrung, und wir sind gespannt, wohin die Forschungsreise uns führt.

(3) Der Einsatz von Hell-Dunkel-Kontrasten eignet sich dann, wenn die Plastizität einer Arbeit betont werden soll. In diesem Fall treten die Nelken in den Vordergrund, während die Steineiche, obwohl sehr präsent, dem Bouquet einen festen Boden gibt.

(4) Natürlich sind diese Formen zufällig entstanden, doch liegt genau hier der Reiz der Weiterentwicklung von Biedermeier-Sträussen aus dem 19.Jahrhundert. Waren bei diesen die Formen mit deren Merkmalen wie Symmetrie, Wiederholung usw. genau durchdacht, wird hier mehrheitlich mit Gefühl und Intuition operiert, und auch der Faktor Zufall spielt mit.

(5) Der Schatten stellt das optische Bindeglied von Bouquet, Lichtquelle und Hintergrund, hier dem Tisch, dar. Er nimmt den beschriebenen Kontrast des Bouquets auf und erweitert ihn hin zur Tischfläche. Da die Faktoren Licht und Hintergrund beliebig variierbar sind, soll hier auf eine weiter führende Abhandlung verzichtet werden, was wir aber zu einem späteren Zeitpunkt nachholen.

(6) Es besteht immer die Gefahr, die Interpretation zu seinen eigenen Gunsten auszulegen. Darum ist es unumgänglich, die Prüfung der vorgelegten Faktoren externen Personen zu überlassen, die ihre Erkenntnisse wiederum an dieser Stelle einbringen mögen.

(7) Wir erleben immer öfter, dass Kunden gar nicht ein Produkt an sich kaufen, sondern den Namen "Melanie JeanRichard", doch hoffen wir, dass dies niemals die Ausmasse von Mode-Labels usw. annehmen wird, da im Unterschied zu diesen die Protagonistin direkt hinter dem Tresen steht, im direkten Kontakt zu den Kunden, und Herzblut in das Produkt investiert hat und dieses auch geschätzt haben möchte. Geht es nur noch um die Repräsentation des Labels, spielt der Artikel eine untergeordnete Rolle, er wird oft gar nicht angesehen. Die Person beruft sich daher bei der nachträglichen Beurteilung oft auf die oben erwähnte Länge des Prozesses, anstatt ihn qualitativ zu beurteilen.

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